Im Moment suche ich mal wieder den Sinn meines Lebens.
Auch für mich ist es oft nicht einfach, mit meinen zunehmenden Beeinträchtigungen umzugehen.
Die letzten Monate habe ich hauptsächlich damit verbracht zu Überleben und Nebenwirkungen, v.a. der Medikamente, einzudämmen.
Ich bin sehr erleichtert gewesen, als es Ende Oktober hieß: alles wird besser, wir können die Infusionen von 3 auf 5 Wochen setzen, kommen Sie im Februar wieder.
Aber trotzdem braucht es ja Zeit, daß sich Nebenwirkungen abbauen. Außerdem habe ich gemerkt, daß meine Psyche diesmal wirklich hängt. Zum ersten Mal in dieser langen Zeit habe ich befürchtet, daß ich tatsächlich in eine Depression rutsche.
Als erstes habe ich versucht, mir keinen Druck zu machen, in dem Sinne das ich mich über das gute Ergebnis freuen muss und mir mantramäßig gesagt habe "die Freude wird noch kommen, es braucht einfach Zeit". Ausserdem habe ich begonnen, bewusst wieder mit meinen Freundinnen Kontakt aufzunehmen. Und ich habe beschlossen, daß mich der "Sinn" schon finden wird. Allerdings höre ich nicht auf, nach ihm zu suchen. Gestern bin ich dazu zufällig auf eine Übersetzung gestoßen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte:
Mit chronischer Krankheit umgehen (nach After The Diagnosis von Dr. JoAnn LeMaistre, Urheberrechte 1985, 1993 und 1999 bei JoAnn LeMaistre)
Tritt eine schwere Krankheit auf, so folgt in der Regel eine von zwei typischen Reaktionen: entweder (1), eine düstere Perspektive der Resignation, Entsagung und Hilflosigkeit oder (2), ein "Alles nicht so schlimm!"-Ansatz, der rundweg leugnet, dass es ein wirkliches Trauma gegeben hat. Beide Perspektiven werden der Wirklichkeit chronischen Leidens nicht gerecht.
Die erste Perspektive tut die chronisch kranke Person als Versager ab. Das ist der Patient, der nicht auf das "Wunder" der modernen Medizin anspricht. Die Genesung, die auf sich warten lässt, wird dann gern als Schuld des Patienten wahrgenommen. Diese Schuldzuweisung liegt einigen der schlimmsten psychologischen Patientenschmähungen durch Ärzte und Pfleger zugrunde, typisiert durch die allzu häufig gehörte Bemerkung: "Hören Sie auf sich zu beklagen! Sie müssen sich damit abfinden." Unglücklicherweise kommt es vor, dass die kranke Person diese strafende Haltung gegen sich selbst übernimmt. "Sich abfinden" bedeutet trauriger weise allzu häufig "sich aufgeben", "sich mit weniger als einer wünschenswerten Existenz zufriedengeben" oder "Kapitulation". In seiner schlimmsten Form bedeutet "sich abfinden" nichts anderes als: "Sie sind jetzt eine Unperson, die kein Recht hat, starke Leidenschaften, Wünsche oder unerschütterliche Hoffnung zu empfinden." Der ganze Ärger und die Schuldzuweisung, die dieser Einstellung innewohnen, sind fehlgeleitet: An Stelle der Krankheit wird der Patient zur Zielscheibe gemacht.
Hinter dem "Alles nicht so schlimm!"-Ansatz stecken persönliche Berichte, die von der vollständigen Heilung extremer Krankheitszustände oder Behinderungen erzählen. Diese Geschichten lassen niemanden kalt, sie rühren an unser aller innerster Gefühle und beflügeln unsere Vorstellungskraft. Aber abgesehen davon, dass sie falsche Hoffnungen schüren, indem sie die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Erholung überbetonen, spielen diese Geschichten regelmäßig die Trauer und das Gefühl der Wertlosigkeit herunter, die sich nach jedem körperlichen oder geistigen Trauma einstellen. Im Umgang mit anderen Leuten kann der "Alles nicht so schlimm!"-Ansatz nützlich sein. Begegnet man neuen Menschen und Situationen, so wird vieles leichter, wenn man die Anderen glauben lässt, man habe alles unter Kontrolle. Menschen reagieren unbeschwerter, wenn man sie nicht mit Krankheit konfrontiert. Die Gefahr liegt darin, dass dieses Image auch eine Schranke aufbauen kann, zwischen einem selbst und denjenigen, die wirkliche Hilfe anbieten können und wollen. Sowenig die Resignation mit Hoffnung zu tun hat, sowenig hat die "Alles nicht so schlimm!"- Attitüde mit der Realität zu tun.
Der Ansatz, den ich vorschlage, nahm Form an, als sich mein eigenes Verständnis entwickelte. Meine Erfahrung als Patientin, Beobachterin und Psychotherapeutin hat mir gezeigt, wie kreativ und individuell verschiedene Menschen die Kraft ihrer inneren Ganzheit (das Gefühl, emotional intakt zu sein) nutzen, um die zerstörerische Wirkung schwerer körperlicher Einschränkungen und der begleitenden Depression, Wut und Angst zu bekämpfen. Der Weg zum Wohlbefinden, den ich hier vorstelle, betont sowohl die subjektive Erfahrung des Verlusts als auch die eigene Verantwortung dafür, den Blick nach außen zu richten, um Lebensqualität zurückzugewinnen. Wesentlich für das Wohlbefinden ist der Begriff der Anpassung – die flexible, kreative Nutzung von Ressourcen erweitert die Auswahlmöglichkeiten und verbessert die Kontrolle. Das ist der Schlüssel zu einem Gefühl der inneren Ruhe, wenn die Zeiten hart sind. Es ist nicht nötig, die harten Tatsachen der Wirklichkeit zu leugnen oder anderen gegenüber so zu tun, als sei alles in bester Ordnung, wenn es im Inneren nicht viel mehr als Pein gibt.
Geistige Gesundheit bei körperlicher Krankheit setzt die Überzeugung voraus, dass der Selbstwert als Person über die körperlichen Einschränkungen hinausgeht; ohne Selbstwertgefühl gibt es keine wahre Anpassung. Dieser Glaube an den Selbstwert stellt sich selten ein, bevor Verlust und Trauer hinter die wertvollen Augenblicke innerer Ruhe und Freude zurücktreten. Verlust, Trauer und das Anerkenntnis innerer Schmerzen begleiten jede einzelne Stufe des Weges hin zum Wohlbefinden. In schwierigen Zeiten kann der innere Schmerz das Leben überfluten. Jedes Gefühl für Zeit und Maß geht verloren. Ausmaß und Intensität des psychologischen Schmerzes fluktuieren von Tag zu Tag. Manchmal führen sie näher an die unbezahlbaren inneren Ressourcen heran. Manchmal wirken sie wie ein gefährlicher Sog, der einen weit weg vom eigenen erkennbaren Selbst zieht. Dann scheint es für das Leben keinen Grund mehr zu geben – oder keinen außer den Schmerzen. Selbst dann ist der Grund zu leben das Leben selbst.
Der Anreiz, psychologisch gesund zu werden, ist das Potenzial für die Zukunft. Krankheit ist sowohl emotional als auch körperlich eine belastende Erfahrung. Sie kann dauerhaften Schaden anrichten, indem sie das Gefühl des Wohlbefindens, der Kompetenz, der Produktivität eines Menschen in Frage stellt. Im schlimmsten Fall kann die emotionale Reaktion auf die Krankheit im Gefühl gipfeln, dass das Leben keinen Sinn hat. Ich teile diese Ansicht nicht, doch ich kann gut nachvollziehen, dass die Belastung dazu führen kann. Krankheit ist ein Prozess und wie alle Prozesse besteht er aus verschiedenen Stufen, die verschiedene Merkmale aufweisen.
Im Folgenden gehe ich auf diese Stufen/Phasen näher ein. Sie können in unterschiedlicher Reihenfolge auftreten, manchmal wiederholen sie sich auch. Fehlt einem kranken Menschen die emotionale Unterstützung oder die notwendige Entschlossenheit, so kann der Prozess stagnieren und man versumpft in der einen oder anderen Phase. Der durch eine Krankheit ausgelöste emotionale Prozess ist individuell sehr unterschiedlich. Nicht jeder wird zum Stocken gebracht. Nicht jeder durchlebt all die Stufen, die in den folgenden Abschnitten dargestellt sind. Die Stufen/Phasen bilden kein durchlaufendes Programm, sondern wiederholen sich, wenn Symptome wiederkehren oder Verluste eintreten. Die Anpassung ist eine sich nach oben windende Spirale, in der die Mechanismen des Zurechtkommens, die einer nach dem anderen gelernt wurden, mit Strategien kombiniert werden können, die zu anderen Zeitpunkten gelernt wurden, um jeden Rückfall emotional weniger belastend zu machen. Wie Menschen auf chronische Krankheit reagieren, hängt von vielen Bedingungen ab. Drei davon verdienen spezielle Erwähnung.
Die erste ist die Schwere der Krankheit. Wer sehr krank ist, muss seine gesamte Energie in den Heilungsprozess stecken und kann sich den Luxus, Energie in emotionales Wachstum zu investieren, möglicherweise gar nicht leisten.
Die zweite ist die verfügbare soziale Unterstützung. Wer ein breites Unterstützernetzwerk hat und sich nicht zu schade ist, um Hilfe zu fragen, hat es leichter.
Die dritte Bedingung ist die Persönlichkeit vor der Krankheit. Wer immer schon ein ziemliches Durchhaltevermögen hatte wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Krankheit gegenüber widerstandsfähig sein.
Das Gefühlstrauma einer chronischen Krankheit wird durch den Verlust einer geschätzten Fertigkeit verursacht, Autofahren oder Tanzen zum Beispiel. Der chronisch kranke Mensch erleidet nicht nur den unmittelbaren Verlust seiner Kompetenz, sondern auch den seiner Zukunftserwartung. Der Zukunft kann sich natürlich niemand sicher sein, aber die meisten von uns können mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nach vorne blicken und sagen: Wenn ich meine Energie in einem bestimmten Bereich investiere, dann kann ich vernünftigerweise erwarten, dass ich die entsprechenden Ziele auch erreiche. Tritt hingegen eine Krankheit ein, so können alle vergangenen Anstrengungen von einem Tag zum anderen bedeutungslos erscheinen – und es auch tatsächlich sein. Angesichts solcher Verluste ist es normal, Angst, Wut, Depression und Beklemmung zu fühlen. Es wäre nicht normal, zu leugnen, dass sich die Gesundheit und das Leben allgemein zum Schlechteren verändert haben. Ernste emotionale Probleme sind meist das Los von Menschen, die ihre emotionale Belastung nicht anerkennen und ihre Beklemmung und Depression unter dem Deckel halten bis diese Gefühle so stark werden, dass sie sich gewaltsam Bahn brechen. Wenn ein Gefühl einmal so stark ist, dann ist es sehr viel schwieriger seine Auswirkungen ohne schwere Narben zu überstehen.
Gibt es also etwas, das dabei helfen kann, die Depression und Ausgrenzung durch den körperlichen Verlust und den Verlust von Zielen und Träumen zu überwinden? Auf jeden Fall! Zielstrebigkeit, jede Erfahrung der eigenen Fertigkeit/Bewältigung/Meisterung, jede von außen kommende Kompetenzanerkennung, ein gutes Ohr für Humor, jede Erfahrung der Freude sowie das konstante Anstreben innerer Ruhe, das sind die Hilfsmittel, die dabei helfen können, Depression und Ausgrenzung durch chronische Krankheit zu überwinden. Diese Hilfsmittel sind auf allen Stufen des emotionalen Prozesses von wesentlicher Bedeutung. Diese Stufen bezeichne ich als Krise, Isolierung, Wut, Wiederaufbau, wiederkehrende Depression und Erneuerung. Das sind gute zusammenfassende Kategorien für den Gefühlssturm, den die Krankheit auslöst und wir sehen uns eine Stufe nach der anderen an, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass sie nicht bei jedem Verlauf in dieser Reihenfolge auftreten.
KRISE
In der Krise ist der Patient schwer krank und hat viel Angst. Geistig wie körperlich kann er/sie nur eingeschränkt auf andere Menschen reagieren. Die Energie des Kranken ist nach innen gerichtet, auf die eigene Heilung und auf Panikkontrolle. Oft ist der Patient sogar zu krank, um Angst zu haben. Ereignisse kommen durcheinander. Die Zeit ist verzerrt. Orientierungslosigkeit ist üblich. In solchen Zeiten fällt man in die angeborene biologische Fähigkeit zur Heilung zurück. Das Unterstützernetzwerk dagegen ist umso verängstigter. Es hat die gesamte Verantwortung für die Organisation der ärztlichen Pflege und der Finanzen zu tragen. Es muss dafür sorgen, dass das Leben der Kinder, falls Kinder beteiligt sind, möglichst bruchlos weiterläuft. Die Ausnahmesituation der Familie kann Energie spenden. Die Familie kann das Bedürfnis, manchmal die Verpflichtung spüren, den Patienten mit allen Mitteln zu unterstützen. In einer Krise reagiert im Großen und Ganzen jeder gut. Jeder hat mitbekommen, dass der Patient schrecklich krank ist. Und reagiert. Leider kommt die Unterstützung und Hilfe in dieser Phase nicht immer bei denen an, die durch die Krankheit des Patienten am meisten betroffen sind und am meisten Hilfe brauchen. Freunde reagieren gern, indem sie den Kranken mit Karten, Blumen und Besserungswünschen überschütten. Leider geht vieles davon in die falsche Richtung. Der sehr kranke Mensch kann diese Zeichen der Sorge und Zuneigung oft gar nicht würdigen. Patienten fühlen sich oft schon dadurch belastet, dass sie sich nicht angemessen für die Genesungswünsche bedanken können. Freunde erreichen meist mehr, wenn sie der Familie und anderen Unterstützern helfen, mit Ärzten, Kliniken und eingehenden Telefonaten umzugehen, direkte Hilfe anbieten, sobald klar wird, dass die Vorstellung "Werd' bald wieder gesund" bei einer chronischen Krankheit fehl am Platz ist. Während der Krise ist fast die gesamte Kraft und Aufmerksamkeit des Patienten darauf gerichtet, auf den körperlichen Angriff der Krankheit zu reagieren. Wichtigstes Anliegen ist das Überleben. Dazu müssen der Patient und die Familie mit der Angst vor einer unbekannten und unerkennbaren Zukunft zurechtkommen. Es ist nur allzu offensichtlich, dass die komfortablen Muster der Vergangenheit zerbrochen sind. Und es ist überhaupt nicht klar, was jetzt kommt.
ISOLIERUNG
Mit der Zeit kann die akute Natur der Krankheit nachlassen. Aber es tritt keine vollständige Erholung ein und die Krankheit besteht weiter. Langsam geht allen das Licht auf, dass die Situation chronisch geworden ist. Dass es keine vollständige Genesung geben wird. Die Zukunft erscheint so unsicher, dass der Patient nachts nicht schläft und tagsüber rastlos und fahrig erscheint. Das Fehlen einer Zukunftserwartung stellt einen massiven Angriff auf das eigene Selbstbildnis dar. Die Beklommenheit macht einen manchmal hölzern und stoffelig im Umgang mit sich selbst und den anderen. Man sagt, meist teilweise zurecht, dass niemand die Verwüstung des Verlusts verstehen kann. Abgeschiedenheit bereitet denjenigen Menschen am meisten Schwierigkeiten, die zuvor besonders unabhängig gewesen sind. Die Familie hat sich oft während der akuten Krisenphase erschöpft. Den Familienmitgliedern kann klar werden, dass sie die Situation des Kranken verärgert oder verängstigt oder dass sie davon abgestoßen sind. Sowohl der Patient als auch die Familienmitglieder ziehen sich in sich selbst und in ihre Gedanken zurück im Wissen, dass ihr Leben nie mehr so sein wird, wie vorher. Das ist auch der Moment, an dem sich die Unterstützung der Freunde weniger wird – die Vorstellung einer chronischen Krankheit wirkt auf die meisten Leute erschreckend. Nach einem anfänglichen Energieschub finden manche Freunde die persönliche Auseinandersetzung zu aufwendig, um den Kontakt mit dem Patienten und der Familie aufrechtzuerhalten. Manche Patienten fühlen sich wie am Boden zerstört durch die anscheinend fehlende Anteilnahme der Menschen, die ihnen wichtig sind. Ich sage "anscheinend", weil die fehlende Kontaktaufnahme häufig nicht bedeutet, dass sich die Freunde nicht kümmern, sondern nur, dass sie nicht wissen, wie. Das führt zu einer schwierigen Frage. Wie gut gelingt es Ihnen, nach Hilfe zu fragen? Was bedeutet es für Sie, um Hilfe bitten zu müssen? Diese Fragen beginnen in der Phase der Isolierung aufzutauchen, aber tatsächlich gehören sie zum Alltag der meisten chronisch Kranken. Sich helfen zu lassen, ohne sich dabei unwohl zu fühlen, ist eine Kunst, die gelernt und geübt sein will. Es ist schwer zu verstehen, dass Hilfe und Unterstützung in Notlagen anzunehmen kein Zeichen von Schwäche oder Versagen ist. Eine der emotionalen Schranken, die es einem schwermacht, um Hilfe zu bitten, ist das starke Gefühl der Schuld, eine Krankheit zu haben, wegen der man Hilfe braucht. Im Verlauf der Isolierungsphase ist der Blick nach innen gerichtet und der Kranke empfindet viele negative Gefühle sich selbst gegenüber. In der Isolierungsphase ist offene Kommunikation lebenswichtig. Schuld darf keinen Teil daran haben. Es ist wichtig, über Gefühle zu sprechen. Kommunikation und Teilnahme sind Möglichkeiten des Ausbruchs aus der Isolation.
WUT
Der Kranke hat unter schwerer Verstörung, Panik, Angst und Hilflosigkeit gelitten. Zählt man das Gefühl der Ungerechtigkeit und Sinnlosigkeit dazu, das durch die Erkrankung entsteht, so kann die Antwort maßlose Wut sein. Ihr Ziel ist häufig der Patient selbst. Der äußerste und gefährlichste Ausdruck dieser Wut gegen sich selbst ist der Suizid. Die allgemein erlebten Gefühle der Verzweiflung können darin münden, dass die Möglichkeit der Selbsttötung in Betracht gezogen wird. Es gibt zwei Gründe, warum der Patient sich selbst als Ziel für diese Gefühle der Wut und Verzweiflung sieht. Erstens ist es praktisch unmöglich, auf das Schicksal wütend zu sein; dazu fehlt der externe Gegner. Um dem Geschehenen eine Bedeutung beizumessen, schließen manche Menschen widersinniger Weise daraus, dass sie ihre Krankheit selbst verschuldet haben. Es ist schwer, jederzeit klar zu sehen, dass es die Krankheit war, die das Chaos ins Leben gebracht hat. Ein weiterer Grund für Selbstmordgedanken ist das Gefühl der Hilflosigkeit, das die Krankheit mit sich bringt. Man kann eine chronische Krankheit nicht fortwünschen. Die Beeinträchtigungen sind täglich da und erfordern einen immer wieder neuen Kampf. Die Möglichkeit eines schweren Rückfalls oder der Verschlimmerung der Symptome kann zu einer dauernden Beklemmung führen, die nah an der Bewusstseinsoberfläche liegt. Das Gefühl, dass sich das zugrundeliegende Problem nicht lösen lässt, und der Glauben, selbst daran schuld zu sein, macht viele Patienten extrem unglücklich. Leider wird die Schuldzuweisung des Patienten an sich selbst von der Gesellschaft noch verstärkt. Familien sind gelegentlich nicht in der Lage zu helfen, weil sie ärgerlich auf den Patienten sind. Für die eintretenden Veränderungen des Lebensstils wird unmittelbar der Patient verantwortlich gemacht und nicht seine Krankheit. Sogar vermeintlich neutrales medizinisches Personal kann gelegentlich verärgert auf den Patienten reagieren, der eine chronische Krankheit hat, die es nicht heilen kann. Dieser von allen Seiten gegen den Patienten gerichtete Ärger ist psychologisch verständlich, aber sehr destruktiv. Der Flirt mit dem Selbstmord, dem größten Risiko für den Patienten in der Wutphase, ist eine Aussage über das Ausmaß der Wut auf sich selbst und auf die Menschen, die einem wichtig sind. Ein weiteres ernsthaftes Problem der Wutphase ist Stress in der Familie. Familien, die zwischen Kranken und Krankheit unterscheiden, überstehen diese Phase besser. Sie verstehen, dass die Notlage die gesamte Familie betrifft und tun ihr Bestes, um sie so gut wie möglich zu meistern. Die Familienmitglieder müssen Wege finden, sich gegenseitig zu unterstützen und zu pflegen, um mit der Furcht und den Veränderungen des täglichen Lebens zurechtzukommen, die eine chronische Krankheit gleichermaßen begleiten. Wut ist die gefährlichste Phase für das emotionale Wohlbefinden. Es ist auch die Phase, in der die meisten Menschen steckenbleiben. Angst und Wut sind zerstörerische Emotionen, die aus dem Gefühl eines Kontrollverlusts erwachsen. Gewinnen Sie die Kontrolle in kleinen Schritten zurück. Den fundamentalen Gründen für die Wut kann man in den meisten Fällen nicht ausweichen. Es hilft nicht weiter, jemandem die Schuld zu geben. Die Reaktion muss aufgabenbezogen werden. "Heute will ich die Länge meines Zimmers entlanggehen – oder einen Freund anrufen – oder eine Anfrage beantworten." Ein Ziel anstreben, auch wenn es ein kleines ist, ist ein gutes Mittel gegen die Wut. Patient, Familie, Freunde und Unterstützer sollten sich alle auf die Fertigkeiten konzentrieren, die verblieben sind und auf die Dinge, die noch bewerkstelligt werden können. Diese Grundregel ist ein Schlüssel zum Umgang mit Wut und Ärger.
WIEDERAUFBAU
Die kranke Person fühlt sich körperlich viel kräftiger oder hat genug Zeit gehabt, sich neue Bewältigungsstrategien anzueignen. Wichtige Entscheidungen oder neue soziale Kontakte können angesagt sein. Üblich ist ein wachsendes Gefühl der Sicherheit auf Grundlage der neuen Fertigkeiten. Die Laune ist besser und die Schwierigkeiten scheinen weiter entfernt. Die kranke Person erforscht Grenzen und Möglichkeiten der neuen Fertigkeiten. Freunde werden danach ausgesucht, wie sie auf die Tatsache der Krankheit reagieren. Die Familie richtet neue Routinen ein – oder löst sich auf. Was genau wurde neu aufgebaut? Sicherlich es ein ganz anderes Leben als zuvor. Es ist vielmehr ein Wiederaufbau des Selbstgefühls als zusammenhängende, intakte Einheit. Der Wiederaufbau kann viele konkrete Aspekte beinhalten – etwa die Entwicklung neuer Fertigkeiten – aber ihr wichtigster Wert ist emotional. Wird ein angestammtes Lebensmuster durch Krankheit zerstört, fürchtet der Patient, dass er oder sie nicht mehr als zusammenhängendes Wesen erkennbar ist. Es ist das Wiederauftauchen der positiven Selbstwahrnehmung, das den Wiederaufbau ausmacht. Oft geht es Menschen einige Wochen lang gut und dann werden sie von einem Ereignis niedergeschmettert. Aber jede Erfahrung des Vertrauens und Erfolgs ist ein weiterer Schritt in Richtung Wiederaufbau.
WIEDERKEHRENDE DEPRESSION
Jetzt, wo alles besser aussieht, sehnen sich alle nach Entspannung und sind daher möglicherweise umso mehr überrascht, wenn eine schwere Depression eintritt. Das Hochgefühl, das mit den neuen Fertigkeiten kommt, kann neuen Verzweiflungsgefühlen weichen, wenn der Patient sich daran erinnert, wie viel einfacher alles in den Zeiten vor der Krankheit war. Nostalgie und Trauer verbinden sich und produzieren Traurigkeit und Entmutigung. Viele Menschen wissen ganz genau, wann diese Momente auf sie zukommen. Arztvisiten und Jahrestage sind gute Beispiele. Der Arzt, der die Intuition bestätigt, dass der Zustand weder besser noch schlechter geworden ist, führt oft zur Depression. Aber es kann auch der Jahrestag des dritten Jahres ohne Auto sein, der erste Jahrestag der Scheidung, die Jahreszeit, in der die physischen Probleme erstmals auftauchten – die Liste ist endlos. In diesen schwierigen Zeiten ist es oft nützlich, sich Beratung zu suchen, um ihre Dauer zu verkürzen und um zu einem neuen Verständnis davon zu kommen, womit diese Verlustgefühle zusammenhängen. Neues Verständnis bringt neue Kampfkraft, die Verluste gehen dadurch nicht weg. Anscheinend verbinden sich bei diesen zeitweiligen Depressionen zwei Gefühle. Eines ist das Bewusstsein des Funktionsverlusts, so wie er sich mehrmals am Tag bemerkbar macht. Aber natürlich wird ein Amputierter nicht jedesmal depressiv, wenn ihn etwas daran erinnert, dass er nicht normal gehen kann. Dazu gehört ein zweites Element. Wenn das Verlustgefühl ein klares Bild davon erweckt, wie das Leben ohne Amputation wäre und diese Fantasie starke Gefühle beim Patienten auslöst, dann ist eine Depression sehr wahrscheinlich. Dieses Bild davon, wie man ohne die Krankheit wäre, nenne ich die Phantompsyche. Die Phantompsyche ist meist nicht weit vom Bewusstsein entfernt. Sie ist der selbststrafende Mechanismus, mit dem die chronisch kranke Person ihr Selbstwertgefühl und ihr Bewusstsein der eigenen Kompetenz laufend aushöhlt. Wenn ich nur diese Arthritis [oder welche Erkrankung auch immer] nicht hätte, dann könnte ich noch Bergsteigen [oder welche Tätigkeit auch immer ausüben]." "Wenn"-Aussagen sind das Brot und Butter der Phantompsyche. Sie enthalten harsche Urteile der Wertlosigkeit. Bei guter Laune ist die Reaktion auf das gleiche Verlustgefühl: "Das Bergsteigen fehlt mir sehr, aber wenigstens kann ich heute einen Spaziergang machen." Wo sich das Phantom umtreibt, ist der Seele unbehaglich. Ärzte und Freunde verwechseln den verzweifelten Schmerz, der entsteht, wenn man merkt, dass diese hoffnungsvollen Phantasien nicht umgesetzt werden können, oft mit Selbstmitleid. "Hör’ einfach auf, dich selbst zu bemitleiden" – das liegt so weit daneben, dass es schon tragisch ist. Es ist sehr schwer, ein Selbstwertgefühl zu haben, wenn man deprimiert ist und befürchtet, nie wieder einen Wert für sich oder andere darzustellen. Die Selbstachtung wächst mit den Erfahrungen erfolgreicher Unabhängigkeit und Zielstrebigkeit, gleich ob der Erfolg darin besteht, dass man sich erinnert hat, wann eine bestimmte Arznei einzunehmen ist oder dass man nach Monaten Krankengymnastik besser laufen kann. Die Phantompsyche – die unrealistische Erwartung an sich selbst – kann nicht mit der berauschenden Befriedigung mithalten, die hart erarbeiteter Erfolg bringt. Wenn Familie, Freunde und Ärzte zudem den Triumph würdigen, den die Fähigkeit zu kämpfen bringt, dann fühlt sich der Triumph nochmal besser an. Gutmeinende Leute machen oft den Fehler, kranke Menschen für Fortschritte zu loben, ohne zu merken, wie schwer der dauernde Kampf gegen das Trägheitsmoment einer chronischen Krankheit ist. Jeder kennt die Zeiten, in denen der Gegner übermächtig und der Kampf aussichtslos scheint. Aber solange man den Kampf nicht außer Augen verliert, kommt man über den Tag. Wir schwanken, wenn wir uns unrealistische Ziele setzen, um das Verlorene trauern oder nicht jeden Tag neu beginnen können. Man kann den Kampf gegen die Depression gewinnen, trotz der körperlichen Komplikationen, die versuchen, uns nach unten zu ziehen.
ERNEUERUNG
Die Verluste und die Traurigkeit, die sie auslösen, gehen nie ganz weg. Es bleibt ein nachklingendes Bedauern. Ein Mensch, der gelernt hat, mit einem Rollstuhl umzugehen, kann sehr stolz auf diese Errungenschaft sein und ganz genau wissen, wie wichtig das für sein aktives Leben ist. Aber er muss den Rollstuhl deswegen nicht mögen. Es ist nicht nötig, die Kompromisse, die man eingehen muss, zu mögen oder sich mit ihnen abzufinden. Es ist nur nötig, anzuerkennen, dass eine Änderung des Lebensstils und der Fertigkeiten eingetreten ist. Anzuerkennen, dass man heute andere Fertigkeiten hat als vor der Krankheit heißt nicht, sich mit der Krankheit "abzufinden". Es handelt sich um keine Aufgabe, kein Sich-Fügen, nur um ein Wachsen – das Wachsen neuer Möglichkeiten durch neue Fertigkeiten. Die Erneuerung wächst mit den Erfahrungen, die uns lehren, die Gegenwart nicht damit zu verschwenden, Angst vor der Zukunft zu haben. Die wirklichen Behinderten der Welt sind jene, die unter emotionalen Einschränkungen leiden, die es ihnen unmöglich machen, die Fähigkeiten und Steuerungsmöglichkeiten zu nutzen, die sie besitzen.
Eine chronische Krankheit impliziert nicht notwendigerweise eine emotionale Behinderung, wenn man beharrlich dagegen ankämpft. Ein gesunder Geist ist in Reichweite eines jeden von uns. Allerdings verstehe ich einen gesunden Geist nicht als dauerhaften, statischen Zustand. Seine Ausprägung und Pflege sind wie Ebbe und Flut, je nachdem wie hilflos man sich fühlt. Und selbst wenn man sich hilflos fühlt, kann der gesunde Geist durch jegliche Interessenbekundung für jemand anderen zur Geltung gebracht werden. Geteilte Interessen und Mitgefühl geben dem Leben Bedeutung und einen Zweck. Wenn man entmutigt ist, fühlt man sich ganz allein – es steckt einige Wahrheit in diesem Gefühl. Aber auf vielerlei Weise ist man nicht allein. Es gibt hunderte Menschen in Ihrer Stadt, die immer wieder mal ähnliche Gefühle haben. Wenn Sie nachts von verstörenden Gedanken geweckt werden, denken Sie daran, dass es andere gibt, die mit ihren Schmerzen kämpfen. Wenn auch niemand Ihre einzigartige Erfahrung teilen kann, so bestehen doch Verbundenheit und eine gemeinsame Kraft zwischen allen, die körperlich nicht mehr voll leistungsfähig sind. Es gibt einige positive Bewältigungskompetenzen, die bei unvermeidbaren gesundheitlichen Veränderungen erforderlich sind. Ich fasse sie in den folgenden Absätzen zusammen.
Realistische Erwartungen
Der wichtigste Aspekt realistischer Erwartungen ist die Erkenntnis, dass sie zeitlich begrenzt sind. "Was ist heute möglich, so wie ich mich jetzt fühle?" Wenn Sie zwei Minuten zur Verfügung haben, was machen Sie? Ich rate Menschen, sich die Frage zu stellen, was sie tun wollen. Eine Krankheit kann das Gefühl geben, dass man alle Ziele und Wünsche aufgeben muss. Das ist nicht nötig. Steuern sie ihre Erwartungen in diese Richtung: "In den Grenzen meiner körperlichen Beeinträchtigung will ich tun, was immer ich auch tun will, so lange ich es kann."
Probleme aktiv angehen
Eine zweite wesentliche Bewältigungskompetenz ist eine aktive Herangehensweise an Probleme. Woraus besteht eine aktive Herangehensweise? Sie besteht aus der Definition des Problems und des gewünschten Ergebnisses. Dazu muss sichergestellt werden, dass jede aufgewendete Energie einen Schritt in Richtung Ergebnis darstellt. Selten ist es die vollständige Lösung. Oft ist das Eingeständnis "Das kann ich nicht" der erste Schritt, um ein Problem realistisch zu lösen. Definieren Sie Ihr Ziel und verwenden Sie dann Ihre ganze Gestaltungsfähigkeit darauf, einen gangbaren Weg zu finden, um das Ziel zu erreichen. Kreativität wird durch Krankheit nicht eingeschränkt. Wenn Sie das Problem definieren, werden Sie bemerken, wie vieler Aspekte es bedarf, um zu einer Lösung zu kommen. Dann beschränken Sie sich darauf, nur den Teil der Anstrengungen zu unternehmen, der realistisch Erfolg verspricht. Das bedeutet, dass Sie ein breiteres Verständnis von Gemeinschaft brauchen. Es wird eine ganze Reihe Dinge geben, die Sie nicht allein bewältigen können. Deswegen müssen Sie Ihre Träume nicht ändern. Was sich wahrscheinlich ändern wird, ist, wie sie umgesetzt werden. Der kreative und flexible Einsatz Ihrer Energien und Kreativität ist Ihr Ziel, damit die Aufgabe Ihnen so viel Befriedigung wie möglich verschafft. Die passende Hilfe suchen Die nächste Fertigkeit, die es zu lernen gilt, ist das Bitten um Hilfe und Unterstützung. Es ist keine moralische Schwäche, nach Unterstützung zu fragen, und doch kennen viele wahrscheinlich von sich selbst die Neigung, das Fragen nach Hilfe als beschämend zu empfinden. Es ist eine Einschränkung, wenn man nicht weiß, ob Unterstützung sinnvoll ist oder nicht. Es ist eine Einschränkung, wenn man zum Unterstützer grob oder ärgerlich ist. Nach Hilfe zu fragen kann zu einer höflich-charmanten Fertigkeit werden. Es ist sicher nicht die erste Wahl für Menschen, die am liebsten alles selber machen würden, aber es sollte die Lösung Ihrer Wahl sein, wenn sie das was Sie wünschen und brauchen auch umsetzen wollen – und es alleine nicht können. Wenn es Ihnen schwerfällt, um Unterstützung zu bitten, überlegen Sie doch, was Sie tun würden, wenn Sie keine körperliche Behinderung hätten und ein Freund mit dem gleichen Problem zu Ihnen käme. Was würden Sie tun? Würden Sie Ihre Hilfe verweigern, wie Sie meinen, dass andere sie Ihnen verweigern würden? Würde es Sie verstimmen, wenn Ihr Freund Sie nach der spezifischen Unterstützung fragte, die er braucht? Wahrscheinlich würde es Ihnen keinerlei Schwierigkeiten bereiten, die geforderte Hilfe anzubieten. Sie würden es einfach tun. Wenn es darum geht, um Hilfe zu bitten, versuchen Sie, sich selbst gegenüber ebenso freundlich zu sein, wie Sie es einem anderen gegenüber wären.
Mit dem Ärger umgehen
Die nächste Fertigkeit ist zu lernen, wie man emotional effizient und energiebewusst wird. Energie ist ein Riesenproblem für uns alle, die wir eine chronische Krankheit haben. Wir haben keine zu verschwenden. Viel der verschwendeten Energie geht für Ärger und Groll drauf. An sich sind das keine schlechten Gefühle, aber sie laugen aus. Wenn Sie ärgerlich sind, hilft es, eine Vorstellung davon zu haben, worauf Sie ärgerlich sind und ob es sich wirklich lohnt. Gelegentlich will man ärgerlich sein, weil das die angemessene Reaktion ist. Manchmal will man ärgerlich sein, weil es effizienter ist, offen ärgerlich zu sein, als mit Verbitterung oder einer anderen Form verdrängten Ärgers umgehen zu müssen. Je besser Sie darin werden, mit Ihrem Ärger direkt zu sein, desto mehr Energie sparen Sie und desto effizienter sind Sie. Es ist überraschend, dass viele Menschen nicht wissen, wie Sie ihre eigene Gereiztheit und ihren Ärger erkennen. Wenn Sie sich gereizt fühlen, kann es helfen, das selbstbewusst zu zeigen, auch wenn Sie sich dabei unangenehm fühlen.
Teilnehmen
Eine weitere Fertigkeit, die sehr regenerativ wirkt, ist es, positive Energie zurück in die Welt zu bringen. Das geht mit der Familie, mit Freunden, in der Selbsthilfegruppe oder andere Gruppen in der lokalen Gemeinschaft. Stellen Sie Ihre Talente, Ihr Mitgefühl, Ihr Wissen und Ihre Erfahrung zur Verfügung, in einer Weise, die anderen behilflich sein kann. Seien Sie sich selbst ein guter Freund und übersehen Sie Ihre edleren Fähigkeiten nicht. Wenn das Bitten um Hilfe eine Fertigkeit ist, die Sie bereits besitzen, dann gibt es umso mehr konstruktive Energie, die Sie in die Welt drumherum investieren können. Eine der Folgen der Krankheit ist ganz offensichtlich die Einengung der sozialen Welt. Manchmal führt das zur Wahrnehmung, dass es nichts gibt, was Sie für andere tun könnten. Das ist schlicht und einfach falsch. Wenn Sie bei der Suche nach Teilnahme Ihre eigenen Ressourcen erschöpft haben, können Sie Organisationen anrufen, die sich mit Ihrer Krankheit befassen, etwa die Rheuma-Liga, die Multiple Sklerose Gesellschaft oder andere nationale oder lokale Selbsthilfe- und Forschungsorganisationen. Sie können Ihnen Vorschläge machen und vielleicht spezifische Wege aufzeigen, auf denen Sie ihnen helfen können. Menschen melden sich freiwillig, weil es sich gut anfühlt.
Leben Sie in der Gegenwart.
Noch eine Fertigkeit, die es sich zu lernen lohnt, ist weder zu weit zurück noch zu weit in die Zukunft zu blicken. Schaut man nur zurück, dann gibt man gefühlsmäßig auf. Die Verluste sind schwer, aber Verluste allein bringen niemanden von Tag zu Tag weiter. Verluste sind kein guter Grund zu leben. Wenn Sie Ihre gesamte emotionale Energie dafür aufwenden, darüber zu grübeln, wie es Ihnen vor Ihrer Krankheit ging und Vergleiche mit dem Jetzt aufzustellen, dann strafen Sie sich selbst. Wenn Sie das an sich bemerken, müssen Sie extrem aggressiv dagegen vorgehen. Krankheit verringert die Menschlichkeit nicht. Sie verringert Beweglichkeit und körperliches Wohlbefinden, Angst und Sorgen wachsen, aber sie verringert nicht die Menschlichkeit. Seien Sie sich selbst gegenüber menschlich. Vermeiden Sie es, darüber zu grübeln, wie gut es doch gestern im Vergleich zu heute war. Vermeiden Sie auch Fantasien über die ferne Zukunft. Wir haben keine hellseherischen Fähigkeiten. Jeder weiß, dass es noch nie möglich war, in die Zukunft zu sehen. Wenn Sie nicht in der Vergangenheit oder in Heilvorstellungen einer entfernten Zukunft gefangen sind, dann haben Sie die Möglichkeit, den heutigen Tag bei vollem Bewusstsein zu erleben. Den Tag und den Augenblick bewusst und geduldig, mit Mitgefühl und Wertschätzung für sich selbst und andere auf kreative Weise zu genießen, ist trotz der Schmerzen um Ihre Verluste möglich. Schätzen Sie die guten Zeiten Als letzte Fertigkeit empfehle ich Ihnen, das Positive nicht unbeachtet fortschlüpfen zu lassen, wenn es auftritt. Das geht nur, wenn Sie die Fertigkeit des bewussten Erlebens der Gegenwart gemeistert haben und Sie alle vierundzwanzig Stunden eines jeden Tages so durchleben, dass genug von Ihnen offen für die Außenwelt ist, um das Schöne zulassen zu können, wann immer es passiert. Gestern gab es einen Regenbogen. Oder es hat einen interessanten Austausch zwischen Ihnen und dem Lebensmittelverkäufer gegeben oder ein vertrautes Gespräch mit jemanden, den Sie schätzen. Das ist die Art positiver Momente, die ich meine. Es sind Momente, die eingerahmt und aufgehängt werden sollten, damit man sie an den harten Tagen rausholen kann. Denn wenn wir in einem Sumpf negativer Gefühle feststecken, dient alles als Beweis, dass es auf der Welt nur Schmerz und Leid gibt.
Die letzte Fertigkeit ist das Erinnern und Bewahren der Schönheit, damit sie nicht aus dem Repertoire bedeutsamer Lebensereignisse herausfällt. Wie bewahrt man das Schöne, wenn man es bemerkt hat? Die beste Art ist, langsamer zu werden – Gelassenheit, Meditation und die eigene Fähigkeit zur Freude zu nutzen, um den Augenblick im Innersten zu fühlen. Und ihn nachklingen zu lassen. Dadurch sind Ihre Gefühle weitest möglich auf den Prozess des Lebens konzentriert. Seien Sie emotional so gesund wie möglich, trotz der körperlichen Einschränkungen. Was all diese Bewältigungskompetenzen gemeinsam haben ist, dass sie täglich notwendig sind. Man kann sie nicht ein für allemal "meistern" und dann wegpacken. Man wird sie immer wieder brauchen. Jeder Tag wird etwas Verschiedenes bringen, das bewältigt werden muss. Man braucht diese wohlerprobten Fähigkeiten, um es zu schaffen. Die Umstände, mit denen man es zu tun hat, sind gelegentlich miserabel. Diese Realität kann man nicht ändern. Vertrauen Sie darauf, dass sie auf jeder Stufe etwas lernen. Und aus jedem Durchlauf sämtlicher Stufen. Lernen Sie, anderen genug zu vertrauen, damit Sie sich externe Beratung und Psychotherapie holen können, wenn die Situation unerträglich erscheint. Erneuerung ist nicht immer ohne Hilfe möglich.
Wenn Sie diese Ideen auf einer beliebigen Ebene angesprochen haben, dann haben Sie den Weg zur Erneuerung bereits eingeschlagen. Sie adaptieren, trotz größter Schwierigkeiten. Es gibt keinen einen Weg durch die Verwüstungen, die unentrinnbare Gesundheitsveränderungen schlagen. Mein Versuch soll Ihnen Wege aufzeigen und ein Aktivposten in Ihrem Leben bleiben. Sie sind nicht allein. Keiner von uns ist allein. Wir kennen uns vielleicht noch nicht, aber es gibt verwandte Seelen. Eine einzelne schätzenswerte persönliche Beziehung macht den Weg erträglich. Ich wünsche Ihnen eine sichere und wohl überlegte Reise auf dem Weg der Hoffnung. Ich reise neben Ihnen. Sie haben einen Begleiter und Sie haben Hoffnung.
Alles Liebe Katharina

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